Helga Lenz

Als Freiwillige auf dem ToN (5.-26.11.2024)

Nach zwei Jahren zurück auf dem Weinberg des ToN

Der Weg zum Weinberg ist lang.

Nach drei von den Fluggesellschaften gecancelten Flügen ist die Einreise über Jordanien möglich und sicher. Im Westjordanland ist die Schnellstraße für Palästinenser gesperrt, und der kurze Weg von der Schnellstraße zum Tent of Nations ist von den Siedlern blockiert. Eine weitere Steinblockade wurde von den Siedlern aufgebaut, und die Wege sind nicht mehr für uns passierbar. Statt 10 Minuten Fahrt nach Bethlehem brauchen wir jetzt 50 Minuten, wenn nicht eine Straßenkontrolle oder Sperrung dazwischenkommt.

Es ist ruhig auf dem Weinberg

Nur noch wenige Besuchergruppen erreichen das Tent of Nations in Kriegszeiten. Darunter aber hoher Besuch vom Erzbischof von Canterbury und Luise Amtsberg, der Menschenrechtsbeauftragten mit einem Botschaftsvertreter. Von den Siedlungen sind keine Baugeräusche zu hören. Diese hatten uns in den letzten Jahren immer begleitet. Jetzt ist die Siedlung wieder deutlich gewachsen, aber die Arbeiten an den Rohbauten ruhen, und die neue Straße wird nicht asphaltiert. Seit dem Krieg haben nur noch wenig Palästinenser eine Arbeitserlaubnis. Auch mein Nachbar im Sammeltaxi, der für ein israelisches Bauunternehmen arbeitet, ist arbeitslos, weil er schon einmal – ohne Begründung – festgenommen wurde. Das passiert ständig an den Checkpoints, beim Eindringen der Soldaten in die Wohnviertel … Die vermeintliche Ruhe wird „nur“ durch Drohnen, Helikopter, die die Soldaten zu ihren Einsatzorten bringen, und Düsenjäger, die Richtung Norden, dem Libanon oder Richtung Gaza fliegen, unterbrochen. An den lauen, windstillen Abenden hören wir die Explosionen aus Gaza.

Nachts ist es hell auf dem Weinberg

Vor zwei Jahren wurden wir nur von den Scheinwerfern der Siedler angestrahlt. Jetzt sind auf dem Berg Lampen und Kameras installiert. Die Tore sind immer verschlossen, sodass wir unser Kommen immer telefonisch ankündigen müssen. Bei Dunkelheit gehen möglichst zwei Personen zu den beiden Toren, um auf- oder abzuschließen. Übergriffe und Angst haben zugenommen.

Es ist unsicher auf dem Weinberg und außerhalb

An der Grundstücksgrenze seitlich der Weinvilla, der Unterkunft für Volontäre, stehen auf Siedlerseite in zwei Meter Entfernung ein Container und ein Camper. Der Sicherheitsdienst fährt dicht am Zaun vorbei. Nach dem Überfall auf die beiden Nassar Brüder wurde oft eingebrochen. Selbst die Hunde, der Esel, die Hühner wurden gestohlen. Und: im August errichteten Siedler auf dem Grundstück im Tal eine Holzhütte und kamen mit einem Bulldozer, eine Straße auf dem Land der Nassars zu bauen. Das Land sei ihnen von Gott gegeben, so die Siedler. Die Polizei wurde gerufen, aber kam nicht, der Anwalt der Nassars konnte einen Baustopp und die Entfernung des Gebäudes erwirken. In Zeiten des Krieges, in denen das Militär aus „Sicherheitsgründen“ viele Freiheiten hat, ist dies schon ein Erfolg.

Am Tag meines Besuches der Frauentischlerei in Walajah wurde gerade ein Imbisswagen, der schon viele Jahre an der Straße stand, vom israelischen Militär zerstört, weil der Besitzer gestorben war und keine andere Person das Geschäft weiterführen durfte (Bild). Auch das Dorf Walajah ist von Siedlungen umringt. Seit dem Krieg sind schon 26 Häuser abgerissen worden. Aus „Sicherheitsgründen“ kann sich das Militär auch über anerkannten Besitz hinwegsetzen.

EAPPI Beobachter, die jeden Samstag das Tent of Nations bei der Landarbeit unterstützen, berichten von mehrmals wöchentlichen Angriffen des Militärs auf Schulen.

Die Präsenz des EAPPI, die vor dem Krieg Soldaten davon abgehalten hat, mit Tränengas auf dem Schulhof anzugreifen und Kinder mitzunehmen, wird ignoriert. Kinder werden verhaftet, weil sie angeblich Steine schmeißen wollten oder sich in den sozialen Medien zur Hamas geäußert haben.

https://www.eappi-netzwerk.de/al-walaja-ein-jahr-im-zeichen-der-abrissbagger/

https://www.eyewitnessblogs.com/children/

https://www.eyewitnessblogs.com/behind-closed-do

Unterstützung von israelischen Aktivisten, die vor dem Krieg den Kontakt zwischen Familien Gefangenen hergestellt haben, wird behindert. Auch die Gemeinschaft der Kriegsgegner ist sehr überschaubar. In Jerusalem werden 50 Demonstrant*innen von Kriegsbefürwortern angegriffen und von 25 Polizisten von der Straße gestoßen.